Die Bergkatze - November 2021

 

Wer damit raufklettert, jagt runter wie im Rausch.

Auf leisen Pfoten hat mir Stefanie das nigelnagelneue und karbonschwarz lackierte BMC Fourstroke in den Keller gestellt. Als ich es dort erstmals sehe, erinnert es mich in seiner gedrungenen und geduckten Form an eine schwarze Raubkatze. Katzen gelten als Hochleistungssportler. Ihr Körperbau ist auf maximale Bewegungsfreiheit und -kraft ausgelegt. Sie sind grossartige Kletterer und Springer mit einer überragenden Körperbeherrschung und einem bestechenden Gleichgewichtssinn. Ich träume bereits vom Ausritt.

Das BMC Fourstroke 01 One macht Fahrer schnell. Auf Ihm hat Jordan Sarrou 2020 die Krone des XC-Weltmeisters geholt. Für die LT-Version, die jetzt vor mir steht, hat BMC 20mm mehr Federweg eingebaut und den Lenkwinkel um ein Grad flacher ausgelegt, was zu einem ruhigeren Lauf führt. Das begünstigt das Runterfahren, wofür das LT auch gebaut wurde. Fürs Rauffahren hat man das Bike auf Leichtgewicht getrimmt. Mit Rahmen und Felgen aus Karbon, womit das Velo nur knapp über elf Kilos auf die Waage bringt.

Mein Ausritt beginnt an einem richtig heissen Spätsommersonntag. Weil gut gebaute Velos den Lenker verführen, treibt mich dieses Bike rauf auf den Berg. Und rein in den Wald. Mich überkommt die Lust nach Berg und Tal, nach Wurzeln, Stein und Schotter. Neugierig klettere ich nach oben. Über die 1x12 SRAM-Schaltung freue ich mich diebisch. Sie ist auch in steilen Anstiegen ultraknackig zu bedienen. Die verbaute Kassette mit 10-52 Zähnen macht im Gelände alles möglich. Knieschonend meistert man damit auch Steigungen über zwanzig Prozent. Weniger Freude bereiten mir die wuchtigen 29-Zoll-Räder. Ich kann ihre Vorteile (u.a. auch Laufruhe) zwar nachvollziehen, vermisse bei diesen grossen Rädern aber regelmässig das Gefühl, mit dem Bike wie eins zu sein.

Nichtsdestotrotz kitzelt und stichelt dieses Velo gewaltig. Auch wegen zwei klugen Schaltern. Katzengleich erhöht der eine in drei Stufen Elastizität und Spannkraft des ganzen Körpers: Stufe 1 blockiert die Federung, Stufe 3 maximiert sie. Der andere senkt oder erhöht die Sattelposition. Hat man beide Schalter mal im Griff, mutiert man auf dem Fourstroke zur Bergkatze. Man klettert gewandt und jagt lautlos. In der Endphase kann man fast 60km/h schnell werden.

Jetzt startet eine räuberische Berg- und Talfahrt, die mich in ihren Bann zieht. Immer wieder steige ich mit viel Grip auf hochgelegene Aussichtspunkte, um mir auszusuchen, wo ich runterjage. Einmal oben, genügen zwei Schalterbewegungen fürs grosse Hallelujah: Sattel runter, Federweg aufs Maximum (120mm). Dann rast man nach unten, zischt durch den Wald, sprintet sicher (den grossen Rädern sei Dank) über Stock und Stein, federt alles weg und stürmt karbonschwarz talwärts, immer tiefer, schneller und so geschmeidig wie ein Leopard kurz vor dem Beutesprung.

Zuhause schmerzen mir die Hände (man wünscht sich etwas voluminösere Handgriffe) und reift die Erkenntnis, dass es auch unter den Velos Katzen gibt. Wer mit viel Spannkraft tüchtig raufräubert, wird mit diesem schwarzen Panther ganz wild glücklich sein. Und süchtig runterräubern. Wie im Rausch.
 

BMC Fourstroke 01 LT ONE
Rahmen Karbon
Gewicht 11.17 kg
Reifen Maxxis Rekon 29x2,4” WT, TR, Exo (29 Zoll-Rad, 63mm breit)
Schaltung Sram Eagle XX1 1x12
Bremsen Scheibenbremsen Sram Level TLM (160/160mm)
Preis CHF 8’499.–
   

Biketester: Lorenz Schmid, Partner bei in flagranti communication und leidenschaftlicher Velofahrer

 

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