Der Kopfverdreher – Juni 2019

Mit dem Mountainbike «BMC Agonist 02 One» gehen Sie garantiert fremd.

Das Leben ist reich an schwierigen Aufgaben. Wer sie anpackt, wird mit körpereigenen Drogen geflutet. Nebenwirkungen? Keine. Dafür viel Glücksgefühle. Fürs Anpacken kennt der Volksmund eine starke Redewendung, die in der griechischen Mythologie wurzelt: «Den Stier bei den Hörnern packen». Zeus verliebt sich in Europa, die Tochter des phönizischen Königs. Wegen seiner argwöhnischen Gattin Hera verwandelt sich Zeus in einen Stier, um Europa zu erobern. Er trifft sie am Strand von Sidon. Sie hat keine Furcht vor ihm, packt ihn bei den Hörnern und steigt auf seinen Rücken. Zeus geht fremd und schwimmt mit ihr nach Kreta, wo er seine Stierfigur ablegt und sich offenbart, was zu einer leidenschaftlichen Affäre führt.

Man muss das «BMC Agonist» als Stier verstehen, um seine wahren Werte zu ergründen. Der Stier gilt als Sinnbild für wilde, ungebändigte Kraft. Die Hörner sind seine gefährlichsten Waffen. Wer sie packt, meistert die schwierigsten Aufgaben. Mit 750 mm sind die Hörner des «Agonist» breiter als alles, was ich an Velolenkern bis dato zu fassen kriegte. Mountainbike-Lenker sind in den letzten Jahren bis 25 Prozent breiter geworden. Sie bescheren uns damit mehr Sicherheit und Kontrolle, vor allem im technischen Gelände.

Die Hörner, die ich beim Losfahren packe, sind mit zwei cleveren Schaltern ausgestattet. Mountainbiker, die schroffe Abhänge meistern, wissen wie praktisch es ist, den Sattel möglichst einfach tiefer stellen zu können. Dafür kennt das «Agonist» den einen kleinen Schalter. Mit ihm fährt man den Sattel auch wieder hoch.  Das ist grosses Kino, das man sich während der Fahrt immer wieder zu Gemüte führt. Der zweite Schalter reduziert in drei Stufen den Federweg. Man lernt ihn rasch schätzen. Zum Beispiel wenn es berg- oder talwärts geht. Oder wenn man mit diesem Bike mal contre coeur über den Asphalt zischt. Das Velo begeistert mit einer aalglatten Schaltung, der SRAM GX Eagle. Sie verzichtet vorne auf einen Umwerfer und wartet hinten mit einer mächtigen, 10 bis 50-zahnigen Kassette auf, damit man auch nach steilsten Anstiegen jung aussieht. Soviel zur Technik.

Erstaunlich ist, wie dieses Bike das Fahren verändert. Man klettert mit ihm mühelos auf fast jeden Berg und donnert mit ihm fliegend ins Tal. Letzteres macht diebische Freude, auch wegen 110 mm Federweg und den riesigen 29-Zoll-Rädern, die für viel Laufruhe und Stabilität sorgen. Viel nennenswerter erscheint mir aber die Tatsache, dass dieses Velo einem pausenlos den Kopf verdreht, mal nach links, mal nach rechts, nonstop auf der Suche nach schmalen, steilen Trails, auf denen man eingefahrene Bahnen verlassen kann, um fremdes Terrain zu erkunden. Diese Seitensprünge sind so lustvoll, dass der Teufel dabei Saltos schlägt. Wer ihn bei den Hörnern packt, wird zum wahren «Agonist», was soviel bedeutet wie «der Handelnde, der Führende». So hat Europa den Stier gelenkt. Er hat ihr den Kopf verdreht und ging mit ihr fremd. Die Erzählung hat einen Wermutstropfen. Es gibt elegantere Tiere als einen Stier. Das gilt auch für dieses Velo. Nur sagen Sie das mal einem richtig heissen Bullrider…
 

Mountainbike BMC Agonist 02 One
Rahmen Carbon und Aluminium
Gewicht 12.46 kg
Reifen Vittoria Barzo TR, 29×2.25 (62mm breit, 29 Zoll-Rad)
Schaltung SRAM GX Eagle, 1×12
Bremsen Scheibenbremsen Shimano SLX (160/160mm)
Preis CHF 5‘299.–
   

Biketester: Lorenz Schmid, Partner bei in flagranti communication und leidenschaftlicher Velofahrer

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